Pressefreiheit gilt auch für die Brigitte

Heißa, was für eine Aufregung: Das Oberlandesgericht München hat die Presseplätze für den NSU-Prozess neu vergeben – besser gesagt: Es hat sie verlost. Und jetzt ist die Empörung groß. Die FAZ ist nicht dabei! Die taz auch nicht! Die Welt nicht! Der Stern nicht! DIe Zeit auch nicht! Dafür unter anderem Kabel 1, Ebru TV, Charivari, Radio Lotte Weimar – und die Brigitte (die vollständige Liste gibt es hier).

Und schon ist das Wehklagen groß: „Ein schlechtes Los“, schreibt Spiegel Online, „Eine Liste wie eine Farce“, ergänzt sueddeutsche.de. Und wie so oft, wenn Medien in eigener Sache berichten, wird vor lauter hyperventilieren nicht mehr ganz so genau auf die Fakten geachtet. So schreibt SpOn:

Als Titz das Ergebnis für die Untergruppe „Privatrechtlicher Rundfunk“ bekanntgab, war das Erstaunen groß: Drei Plätze waren zu vergeben, es gewannen Top FM, Charivari und Radio Lotte Weimar. Kein RTL, kein Sat.1.

Ja, da muss das Staunen wirklich groß gewesen sein, dass bei den Plätzen für Radiosender kein Fernsehsender dabei ist. Dass es für diese eine eigene Untergruppe gab, darüber staunen sie beim Spiegel wohl immer noch. Und auf sueddeutsche.de beklagen sie: „Das Los machte keinen Unterschied zwischen großen und kleinen, politischen und Unterhaltungsmedien.“

Ich sage: Recht so. Dieses seltsame Prinzip, das dahinter steht, heißt Pressefreiheit. Und die gilt für alle Medien, egal ob es die FAZ ist oder die „Frau im Spiegel“. Sobald der Staat hier beginnt, zu differenzieren, ist das das Ende der Pressefreiheit. Denn Qualität ist nunmal nicht messbar; der Willkür wären Tür und Tor geöffnet, wenn der Staat unterscheiden dürfte zwischen guten und weniger guten Medien, solchen, die beim NSU-Prozess automatisch dabei sein dürfen und jenen, die eben außen vor bleiben.Es ist schon seltsam, dass ausgerechnet die Medien genau das jetzt fordern.

Und es gibt auch kein sauberes juristisches Argument, warum Medien mit größerer Reichweite automatisch bevorteilt werden sollten. Die Pforzheimer Zeitung hat genauso ein Recht, bei einem solchen Prozess dabei zu sein wie die Welt.

Natürlich kann man vieles an dem Verfahren kritisieren, natürlich hat das OLG München sich von Anfang an in vielem sehr ungeschickt verhalten. Man kann sicher das Verfahren kritisieren – aber doch nicht vom Ergebnis her. Dass die Brigitte dabei ist und die FAZ nicht, das kann, das soll und das darf niemand kritisieren, der das Grundprinzip der Pressefreiheit verstanden hat.

P.S.: Für alle, die jetzt über die mögliche Berichterstattung der Brigitte über die Kleidung der Angeklagten oder das Styling der Anwälte witzeln, ein Quiz: Welches Medium schrieb folgendes über die Zschäpe-Anwältin: „Sturm – dunkles Jacket, helle Bluse, roter Lippenstift, kurze blonde Haare und sicherlich keine Gesinnungsverteidigerin – wirkt ein wenig nervös.“ Dieses hier.


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